Pressemitteilung

31/2021/52/D
Fürth, den 4. Februar 2021

Das Insolvenzgeschehen in Bayern im Jahr 2020: Auswirkungen der Coronapandemie

Zahl der Verfahren deutlich unter den Vorjahreswerten, erste Anzeichen einer Trendumkehr im vierten Quartal 2020

Im Jahr 2020 wurden bei den bayerischen Gerichten insgesamt 2 172 Unternehmensinsolvenzen beantragt. Im Vergleich zum Vorjahr wurden damit 451 Verfahren (17,2 Prozent) weniger beantragt. Bei den beantragten Insolvenzen der übrigen Schuldner verzeichneten die Gerichte im Jahr 2020 insgesamt 6 159 Verfahren, 2 317 Verfahren (27,3 Prozent) weniger als im Vorjahr. Nachdem die Zahl der beantragten Insolvenzen von Unternehmen von April 2020 bis September 2020 kontinuierlich zurückgegangen war, zeichnete sich im Oktober 2020 eine Trendumkehr ab, welche sich bis zum Jahresende fortsetzte.

Insgesamt wurden 2020 bei den bayerischen Gerichten 8 331 Insolvenzverfahren beantragt, wobei 2 172 Verfahren durch Unternehmen und 6 159 durch übrige Schuldner – hierzu zählen die Verbraucherinsolvenzen, die Insolvenzen von ehemals selbstständig Tätigen und von natürlichen Personen als Gesellschafter u.Ä. sowie von Nachlässen und Gesamtgut – beantragt wurden. Im Vergleich zum Jahr 2019 ging die Zahl der Insolvenzverfahren damit um 24,9 Prozent zurück, wobei die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 17,2 Prozent und die Zahl der Insolvenzen der übrigen Schuldner um 27,3 Prozent zurückging.

Mit den durch die Coronapandemie ausgelösten umfassenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einschränkungen geriet das Insolvenzgeschehen verstärkt in den Fokus. Ein zuerst erwarteter Anstieg in den beantragten Insolvenzverfahren – hier vor allem der Unternehmensinsolvenzen – blieb dabei aus mindestens zwei Gründen vorerst aus:

(i)    Das Insolvenzgeschehen gilt als Spätindikator der Konjunktur. Eine sich verändernde Wirtschaftslage übersetzt sich dabei erst nach einiger Zeit in eine wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens, die dann zur Insolvenz führt. Der Zeitpunkt einer Insolvenz ist demnach abhängig von der vorherigen finanziellen Situation eines Unternehmens und/oder dem (zeitweisen) Erfolg etwaiger unternehmerischer Gegenmaßnahmen. Ein erwarteter Anstieg in der Zahl der beantragten Verfahren würde demnach mit zeitlicher Verzögerung eintreten.

(ii)   Die Antragspflicht und der Ablauf von Insolvenzverfahren ist seit 1. Januar 1999 in der Insolvenzordnung (InsO) geregelt, die durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 und der damit verbundenen vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht [1] geändert wurde. Ein erwarteter Anstieg in der Zahl der beantragten Verfahren sollte damit vorerst abgewendet und den Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden, durch Inanspruchnahme staatlicher Hilfen und/oder Finanzierungsvereinbarungen eine Insolvenz abzuwenden.

Während die zahlenmäßige Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen in der ersten Jahreshälfte 2020 weitestgehend jener der Vorjahre 2017 bis 2019 folgte, kam es in der zweiten Jahreshälfte zu deutlichen Abweichungen (vgl. Abbildung 1). So ging die Zahl der durch Unternehmen beantragten Insolvenzverfahren ausgehend von ihrem Jahreshöchststand von 249 beantragten Verfahren im März 2020 kontinuierlich zurück, bis sie im September 2020 mit 121 beantragten Verfahren einen unter der seit 1999 gültigen Insolvenzordnung ungekannten Tiefststand erreichte. Nach 127 beantragten Verfahren im Oktober und 126 beantragten Verfahren im November 2020 endete das Jahr mit 168 durch Unternehmen beantragte Insolvenzverfahren im Dezember 2020, einem deutlichen Anstieg um 33,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Der maßgeblich durch die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht geprägte Rückgang in der Zahl der Unternehmensinsolvenzverfahren findet damit sein vorläufiges Ende, eine Trendumkehr zeichnet sich ab.

Abbildung 1: Entwicklung in der Zahl der monatlich beantragten Insolvenzverfahren durch Unternehmen in den Jahren 2017 bis 2020.

Auch bei den Insolvenzen der übrigen Schuldner wurde ein seit geraumer Zeit bestehender Abwärtstrend in der Coronapandemie zeitweise verstärkt. Die Zahl der durch übrige Schuldner beantragten Insolvenzverfahren unterschritt dabei durchgehend – vergleichbar mit der Entwicklung im Jahr 2019 – die Werte des Vorjahres (vgl. Abbildung 2). Lediglich im Nachgang des ersten Lockdowns wurden im Juni 2020 einmalig mehr Verfahren als im gleichen Monat des Vorjahres gezählt (rund 15,4 Prozent). Im September 2020 erreichten dann auch die Insolvenzverfahren der übrigen Schuldner mit 230 Verfahren einen Jahrestiefststand, der rund 66,1 Prozent unter dem Wert des Vorjahres lag. Auslöser hierfür dürfte ein am 1. Juli 2020 veröffentlichter Regierungsentwurf zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre gewesen sein. Vergleichbar der Insolvenzverfahren der Unternehmen setzte dann auch bei den Insolvenzverfahren der übrigen Schuldner ein Wiederanstieg ein, auf 331 Verfahren im Oktober, 338 im November und 442 im Dezember 2020, zuletzt ein Anstieg um knapp 30,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Insgesamt liegt die Zahl der Insolvenzverfahren der übrigen Schuldner mit 6 159 Verfahren im Jahr 2020 damit zwar noch rund 27,3 Prozent unter jener des Jahres 2019 (8 476 Verfahren), dennoch zeichnet sich auch hier ein Ende des Rückgangs ab.

Abbildung 2: Veränderung in der Zahl der monatlich beantragten Insolvenzverfahren durch Unternehmen und übrige                       Schuldner im Vergleich zum Vorjahr für die Jahre 2019 und 2020.

Abbildung 2: Veränderung in der Zahl der monatlich beantragten Insolvenzverfahren durch Unternehmen und übrige Schuldner im Vergleich zum Vorjahr für die Jahre 2019 und 2020.

[1]  Die Aussetzung der Antragspflicht bis 30. September 2020 beschränkte sich auf Fälle, bei welchen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung coronabedingt eingetreten waren. Während die Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit zum 1. Oktober wieder eingesetzt wurde, folgte die Antragspflicht bei Überschuldung erst zum 1. Januar 2021.


Ausführliche Ergebnisse enthält der noch in KW 05 erscheinende Statistische Bericht „Insolvenzverfahren in Bayern 2020 (D3100C 202000)“. Der Bericht kann im Internet unter www.statistik.bayern.de/statistik/wirtschaft_handel/unternehmen als Datei kostenlos heruntergeladen werden. Weitere Informationen zum Bezug von Druckausgaben erhalten Sie beim Vertrieb per E-Mail (vertrieb@statistik.bayern.de), Telefon (0911 98208-6311) oder Fax (0911 98208-6638).