Pressemitteilung

27/2021/52/D
Fürth, den 2. Februar 2021

Trotz oder wegen der Pandemiesituation: Angestiegene Zahl der Neugründungen in Bayern im Jahr 2020

Vor allem Frauen wagten verstärkt den Schritt in die Existenzgründung – Auffallend viele Neugründungen im Bereich der Infektionsprävention

Die Zahlen des Bayerischen Landesamts für Statistik zu den Gewerbean- und -abmeldungen des Jahres 2020 offenbaren bemerkenswerte Entwicklungen: Nach einem pandemiebedingt deutlichen Rückgang im März wagten ab Mai viele Menschen den Schritt in die eigene Existenzgründung. Die Zahl der Neugründungen stieg ab Mai 2020 sprunghaft an und erreichte in den Monaten Juli und Oktober 2020 zwei Höhepunkte. Im Jahr 2020 wurden insgesamt 94 368 Unternehmen neu gegründet (+5,6 Prozent gegenüber 2019).
Besonders von Frauen gegründete Einzelunternehmen trugen im zweiten Halbjahr zu dieser Entwicklung bei. Neugründungen erfolgten vor allem im Handel, weiterhin auffällig waren aber auch zahlreiche Neugründungen in Wirtschaftsgruppen, die mit dem Nähen von Masken, dem Herstellen von Visieren und der Installation von Trennwänden und ähnlichen Vorrichtungen in Verbindung gebracht werden können.

Die Gewerbeämter in Bayern haben dem Bayerischen Landesamt für Statistik im Jahr 2020 insgesamt 118 517 Gewerbeanmeldungen und 94 351 Gewerbeabmeldungen mitgeteilt. Den Zahlen zu den Neugründungen, auch als Existenzgründungen bezeichnet, wurden im Pandemiejahr 2020 eine besondere Bedeutung zugemessen. Dabei entfielen 79,6 Prozent der Gewerbeanmeldungen auf neu gegründete Gewerbe (94 368 Neugründungen) und 76,1 Prozent der Gewerbeabmeldungen auf vollständig aufgegebene Gewerbe (71 802 vollständige Aufgaben). Im Zeitverlauf waren die Meldungen zu Gewerbeanzeigen im Januar und Februar noch durch Nachmeldungen der Stadt München aus dem November und Dezember des Jahres 2019 geprägt. Diese Nachmeldungen sind im Zuwachs des Jahres 2020 enthalten und betrafen geschätzte 1 800 Neugründungen und geschätzte 1 700 vollständige Aufgaben.

Im März 2020 berichtete das Bayerische Landesamt für Statistik bereits von einem deutlichen pandemiebedingten Einbruch der Zahl der Neugründungen (-29,8 Prozent gegenüber März 2019). Insbesondere die Ausgangsbeschränkungen ab dem 20. März 2020 wie auch die Schließung der Gewerbeämter für den Publikumsverkehr dürften für diesen Einbruch verantwortlich gewesen sein. Auch im April fiel die Zahl der Neugründungen noch um 20,0 Prozent geringer aus als im Vorjahresmonat.

Mit den gelockerten Ausgangsbeschränkungen stieg die Zahl der Neugründungen wieder an. Im Mai wurden gegenüber dem April bereits wieder 18,2 Prozent mehr neugegründete Gewerbe gezählt. Diese Erholung setzte sich auch in den folgenden Monaten fort. Im Juni 2020 lag die Zahl der Neugründungen abermals 15,3 Prozent höher als noch im Mai 2020, im Juli erreichte sie mit 8 757 Neugründungen einen ersten Höhepunkt seit Beginn der Pandemiesituation. Nach einem Rückgang während der Ferien- und Urlaubszeit ließ sich ein zweiter Höhepunkt mit 8 567 Neugründungen im Oktober 2020 beobachten.

Besonders die Zahl der Neugründungen durch Einzelunternehmerinnen nahm seit dem Mai 2020 deutlich zu. Einzelunternehmen stellten im Jahr 2020 immerhin 78,2 Prozent aller Neugründungen. Bereits zwischen April und Mai betrug der Zuwachs der von Frauen gegründeten Einzelunternehmen 34,7 Prozent (April: 1 633; Mai: 2 199). Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Neugründungen durch Einzelunternehmer lediglich um 15,9 Prozent (von 3 007 auf 3 485). Der Trend zur Existenzgründung von Einzelunternehmerinnen war aber nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass die Neugründungen bis in den Oktober auf hohem Niveau erfolgten. Auch gegenüber den vergleichbaren Monaten des Vorjahres wuchs die Zahl der Neugründungen durch Einzelunternehmerinnen. Im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2019 gründeten zwischen Juli und Dezember 20201) insgesamt 17,1 Prozent mehr Einzelunternehmerinnen ein Gewerbe neu. Im selben Zeitraum betrug der Zuwachs bei den Männern nur 10,0 Prozent.

Bei einer regional differenzierten Betrachtung ist festzustellen, dass das Wachstum bei den Neugründungen durch Einzelunternehmerinnen und Einzelunternehmer im zweiten Halbjahr 2020 jedoch nicht gleichmäßig verlief. In 68 Landkreisen und kreisfreien Städten fiel das Wachstum bei der Zahl der Einzelunternehmerinnen gegenüber dem vorangegangenen Halbjahr höher aus als bei der Zahl der Einzelunternehmer, in 46 Kreisen sogar um mehr als zehn Prozentpunkte (vgl. Abbildung 1).

In den restlichen 28 Kreisen war es umgekehrt, die Zahl der Einzelunternehmer erhöhte sich gegenüber der Zahl der Einzelunternehmerinnen im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2019. Den höchsten Zuwachs an Neugründungen von Einzelunternehmerinnen verzeichnete der Landkreis Bad Kissingen, hier gab es im zweiten Halbjahr 2020 76,5 Prozent mehr Neugründungen von Einzelunternehmen durch Frauen (85 im zweiten Halbjahr 2019, 150 im zweiten Halbjahr 2020).

Betrachtet man die Neugründungen von Unternehmen in Bayern seit März 2020, ist festzustellen, dass über ein Viertel (27,4 Prozent) der 6 219 neu gegründeten Einzelunternehmen von Frauen und über ein Fünftel (22,9 Prozent) der 8 260 neu gegründeten Einzelunternehmen von Männern im Handel erfolgten. Hier wurden vor allem Unternehmen in der sogenannten Wirtschaftsgruppe 47.9 („Einzelhandel, nicht in Verkaufsräumen, an Verkaufsständen oder auf Märkten“) gezählt, die auch den Onlinehandel umfasst (vgl. Abbildung 2).

Ein erheblicher Anteil der von Frauen getätigten Neuanmeldungen entfiel jedoch auch auf das Verarbeitende Gewerbe, hier wiederum zur Hälfte in Wirtschaftsgruppen, die mit dem Nähen von Masken und dem Herstellen von Visieren in Verbindung gebracht werden können („13.9 Herstellung von sonstigen Textilwaren“, „14.1 Herstellung von Bekleidung“ sowie „32.9 Herstellung von Erzeugnissen a. n. g.“, diese Gruppe enthält auch die Herstellung von „sonstiger persönlicher Sicherheitsausrüstung aus Kunststoffen“). Bei den Männern fanden die Neugründungen von Einzelunternehmen dagegen am zweithäufigsten im Baugewerbe statt, hier zu weitaus mehr als der Hälfte in den beiden Wirtschaftsgruppen „43.2 Bauinstallation“ und „43.3 Sonstiger Ausbau“, die mit dem Errichten von Trennwänden und anderen hygienerelevanten Vorrichtungen wie Lüftungen in Verbindung gebracht werden können.

Seit Beginn der Pandemiesituation waren es also bei den Einzelunternehmerinnen auch die Näherinnen von Masken und Herstellerinnen von Visieren, die neue Gewerbe gründeten und damit zu einem Wachstum bei den Neugründungen im zweiten Halbjahr beitrugen. Diese Entwicklung wurde vorrangig auch von den ländlichen Regionen getragen (vgl. Abbildung 3).

Hinweis:

1) Die Berechnung des Zuwachses schließt für die Landeshauptstadt München nur die Monate Juni bis Oktober ein. Durch fehlende Meldungen konnten die Monate November und Dezember 2019 für den Vorjahresvergleich nicht genutzt werden.

Ausführliche Ergebnisse enthält der in Kürze erscheinende Statistische Bericht „Gewerbeanzeigen in Bayern - Jahresergebnis 2020“, Bestellnummer D1201C 202011. Weitere Informationen zum Bezug von Druckausgaben erhalten Sie beim Vertrieb per E-Mail (vertrieb@statistik.bayern.de), Telefon (0911 98208-6311) oder Fax (0911 98208-6638).